Thomas Baumgartner
1892 München - 1962 Kreuth/Tegernsee
The hunchback. Circa 1924
Signed lower right. Several remnants of labels on the stretcher verso. Oil auf canvas. 125 x 109 cm. Relined. Restored. Framed (140.5 x 124.5 cm).
Der Künstler stellt mit dem Titel den Jungen mit Buckel in das Zentrum der Darstellung. Mit dem Titel bezieht er sich dezidiert auf die Wirbelsäulenverkrümmung des Jungen. Dahinter ist eine Familie am Tisch, in der Mitte ein blauer Krug sowie Brotreste. Weiter anwesend sind zur rechten ein alter Mann mit leerem Glas, daneben eine ältere Frau mit Krug, den anderen Mann anschauend. Vor dem Tisch sitzt noch ein weiterer Mann, dessen größte Auffälligkeit die große rote Nase ist, ein Zeichen von übermäßigem Alkoholkonsum. Auch hat er sich vom Tisch weggedreht, sodass wir als Betrachtende ihn im Halbprofil sehen können. Ganz zur linken am Tisch ist noch ein Figurenpaar, bestehend aus einem glatzköpfigen Mann sowie einer Frau. Der Mann versucht sich dieser sexuell zu nähern, während sie sich gegen seine Berührung wehrt.
Baumgartner verweist bei den einzelnen Personen auf Klischees einer unteren Bevölkerungsschicht. Gängig sind neben den Brotresten am Tisch und dem leeren Glas die Schnapsnase, die dreckigen Hände und Füße sowie der Darstellung von "anormalen" Körpern, die aufgrund fehlender Behandlung vor allem in ärmeren Milieus anzutreffen waren. Bemerkenswert sind auch die individuellen Gesichtsausdrücke der Dargestellten: Es lässt sich beim alten Mann rechts aus Gesicht und Körpersprache der Hunger und Durst herauslesen, ebenso bei der hinteren Frau. Am deutlichsten wird das aber beim Jungen im Vordergrund: Der Buckel ist nicht die einzige Verformung des Körpers, auch die linke Gesichtshälfte des Jungen ist verzogen und er besitzt überdimensionierte Ohren. Es lässt sich bei ihm schon vermuten, dass diese Verformungen eventuell auf Inzest zurückzuführen sind, ein weiteres Klischee der ärmeren Bevölkerung in der Zeit.
In der Kunst ist das Leben der ärmeren Bevölkerung schon immer thematisiert worden, ebenso wie jenes von körperlich deformierten Menschen. Die sogenannte "Armeleutemalerei" war bis zum Ende des ersten Weltkrieges ein sehr beliebtes Subgenre, welches immer zu kontroversen Diskussionen geführt hat. Und auch in den 1920er Jahren ist die unprätentiöse Darstellung des Leidens der Bevölkerung immer wieder in der bildenden Kunst Thema, man denke nur an die Werke von Otto Dix oder George Grosz. In dem Überblickswerk "Sozialgeschichte der Malerei" von Jutta Held und Norbert Schneider werden Künstler, die in realistischer Manie sozialkritische Werke wie dieses geschafft haben, "Veristen" beziehungsweise - in diesem Fall treffender - "kritische Realisten" genannt (Held, Jutta/Schneider, Norbert, Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert. 2. Erweiterte Auflage Köln 1998, S. 402-403).
provenance: collection of Hans Constantin Faußner, Munich.
Literatur: Tegernseer Tal Verlag GmbH (editor): Thomas Baumgartner (1892-1962). Wildbad Kreuth 1999, page 13.
Ausstellung: Glaspalast Munich, annual exhibition 1924, catalogue number 72. - Hanns Seidel Foundation Kreuth, Thomas Baumgartner (1892-1962). Wildbad Kreuth 1999.